1. Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil (BSG, Urteil vom 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R -) entschieden, dass auch bei Abschluss eines Abwicklungsvertrages in der Regel eine Sperrzeit von der Arbeitsagentur zu verhängen ist.
2. Rechtsgrundlage
Rechtsgrundlage für die Verhängung einer Sperrzeit ist § 144 SGB III. Die Vorschrift lautet auszugsweise:
"Hat der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis gelöst oder durch ein
arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Be-
schäftigungsverhältnisses gegeben und hat er dadurch vorsätzlich
oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für sein
Verhalten einen wichtigen Grund zu haben, so tritt eine Sperrzeit ein.
Der Arbeitslose hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes
maßgebende Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese
in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen".
Bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts wurde eine Sperrzeit in folgenden Fällen verhängt:
- Der Arbeitnehmer kündigt das Arbeitsverhältnis ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Als wichtiger Grund bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers wurde beispielsweise eine gesundheitliche Beeinträchtigung anerkannt, die es dem Arbeitnehmer unzumutbar machte, seine Arbeit bei dem bisherigen Arbeitgeber fortzusetzen. Den Nachweis für die Unzumutbarkeit muss allerdings der Arbeitnehmer führen.
- Das Arbeitsverhältnis wird durch den Arbeitgeber aus verhaltensbedingten Gründen fristlos oder fristgerecht gekündigt. Im Falle einer solchen verhaltensbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung ist der Verlust des Arbeitsverhältnisses ebenfalls in der Regel vom Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden, mit der Folge, dass auch dann von der Arbeitsagentur eine Sperrfrist verhängt wird.
- Abschluss eines Aufhebungsvertrages: Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages wird von der Arbeitsagentur ebenfalls in der Regel als vorsätzliche Mitwirkung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewertet, mit der Folge, dass von der Arbeitsagentur eine Sperrfrist verhängt wird, es sei denn, der Arbeitnehmer kann nachweisen, dass er für den Abschluss des Aufhebungsvertrages einen wichtigen Grund hat.
3. Abwicklungsvertrag
Anders als bei einem Aufhebungsvertrag geht dem Abwicklungsvertrag zunächst eine arbeitgeberseitige Kündigung voraus. Schließt ein Arbeitnehmer nach Zugang einer Kündigung eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, in der er sich gegen Zahlung einer Abfindung oder einer ähnlichen Leistung dazu verpflichtet, keine Kündigungsschutzklage zu erheben oder die Wirksamkeit der Kündigung anzuerkennen, so liegt darin nach der neuen Entscheidung ein Lösen des Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III, auch wenn dieses Vorgehen vor Ausspruch der Kündigung nicht zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer abgesprochen war. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte ein Arbeitsloser gegen die Verhängung einer Sperrzeit geklagt, die die Arbeitsagentur festgesetzt hatte. Die Sperrzeit war verhängt worden, weil der Arbeitnehmer 14 Tage nach Erhalt der Kündigung eine Vereinbarung geschlossen hatte, nach der das Arbeitsverhältnis auf Grund der arbeitgeberseitigen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist endete und der Arbeitgeber im Gegenzug eine Abfindung bezahlte. Auch der Abschluss eines Vertrages nach Zugang einer Kündigung, in dem die Wirksamkeit der Kündigung bestätigt wird, wird vom Bundessozialgericht als Mitwirken bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewertet. Das Urteil des Bundessozialgerichts hat zur Konsequenz, dass nach Zugang von Kündigungen außergerichtliche Einigungen höchst problematisch sind, da dann mit dem Eintritt einer Sperrfrist gerechnet werden muss.
4. Einigung im Kündigungsschutzprozess
Die Entscheidung des Bundessozialgerichts wird dazu führen, dass Arbeitnehmer künftig in verstärktem Maße Kündigungen zunächst mit der Kündigungsschutzklage angreifen, um sich dann doch beim Gericht vergleichsweise zu einigen. Das Bundessozialgericht hat bisher immer akzeptiert, dass Einigungen im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses beim Arbeitsgericht nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer ein Lösen des Arbeitsverhältnisses vorgeworfen werden kann. Folglich bleibt in vielen Fällen keine andere Möglichkeit, als nach Ausspruch einer Kündigung zunächst eine Kündigungsschutzklage zu erheben um den Eintritt einer Sperrzeit zu vermeiden.
5. Abfindungsanspruch gemäß § 1 a Kündigungsschutzgesetz
Ein weiterer gangbarer Weg zur Vermeidung einer Sperrzeit bietet seit dem 01.01.2004 der neu eingeführte § 1 a Kündigungsschutzgesetz. Diese Vorschrift ermöglicht es dem Arbeitgeber, bei einer betriebsbedingten Kündigung in der Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer eine Abfindung zuzusagen, unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer die dreiwöchige Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage verstreichen lässt. Die Regelung in § 1 a sieht eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses vor. Allerdings ist die Höhe der Abfindung nicht zwingend, sodass auch andere Abfindungsbeträge vom Arbeitgeber angeboten werden können.
Lässt der Arbeitnehmer sodann die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage verstreichen, so liegt auch nach der Auffassung des Bundessozialgerichts eine sanktionslose Hinnahme einer Kündigung vor.
6. Fazit
Das Urteil des Bundessozialgerichts bedeutet praktisch das Aus für den sogenannten Abwicklungsvertrag. Allerdings kann auch in Zukunft durch entsprechende rechtliche Gestaltung der Eintritt einer Sperrzeit vermieden werden.