1.) Am 01.01.1999 ist die Insolvenzordnung in Kraft getreten. Sie ersetzt die Konkurs- und die Vergleichsordnung. Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gleichmäßig zu befriedigen. Entweder werden das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder es werden in einem Insolvenzplan abweichende Regelungen getroffen, mit dem Ziel, ein betroffenes Unternehmen zu erhalten. Ferner wird dem Schuldner Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.
2.) In Nordrhein Westfalen ist ab dem 01.01.1999 das Insolvenzgericht nicht mehr beim örtlichen Amtsgericht, sondern beim jeweils zuständigen Amtsgericht am Sitz des Landgerichts angesiedelt.
3.) Insolvenzfähig sind nach dem neuen Recht nicht nur natürliche und juristische Personen, sondern auch z.B. nicht rechtsfähige Vereine, Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit wie die OHG, die KG und die BGB-Gesellschaft.
4.) Als Eröffnungsgründe sind in der Insolvenzordnung neben der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung auch die drohende Zahlungsunfähigkeit bei einem Antrag des Schuldners bestimmt. Zahlungsunfähigkeit liegt bereits vor, wenn der Schuldner die fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllen kann.
5.) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um - bis zur Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens - eine Masseschmälerung zu vermeiden. Hierzu dienen das allgemeine Veräußerungsverbot, Verfügungsbeschränkungen, Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und Untersagung oder Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in bewegliche Gegenstände.
6.) Der vorläufige Insolvenzverwalter hat die Aufgaben, den Betrieb fortzuführen, die Masse zu sichern und zu klären, ob eine Verfahrenseröffnung möglich ist. Die Stellung und Funktion des vorläufigen Insolvenzverwalters entspricht in weiten Bereichen der des endgültigen Verwalters. Er ist als gesetzlicher Vertreter kraft Amtes anzusehen, wenn vom Gericht ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen worden ist.
7.) Eine wesentliche Neuerung liegt darin, dass - anders als nach der Konkursordnung - nicht nur das Vermögen erfasst wird, das der Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens hat, sondern auch dasjenige, das er während des Verfahrens erwirbt (Neuerwerb). Dies hat vor allem Bedeutung für Einkünfte von natürlichen Personen aus ihrer beruflichen Tätigkeit nach der Verfahrenseröffnung. Auch Erbschaften und Schenkungen, die dem Schuldner während des Verfahrens zufallen, werden erfasst.
8.) Die Insolvenzordnung nennt folgende Gläubigergruppen:

  • Aussonderungsgläubiger
  • Absonderungsgläubiger
  • Massegläubiger
  • normale Insolvenzgläubiger
  • nachrangige Insolvenzgläubiger.

Die Reihenfolge drückt die Wertigkeit aus, nach der die Befriedigung aus der Insolvenzmasse zu erhalten ist. Die stärkste Position haben diejenigen Gläubiger, denen ein Aussonderungsrecht zusteht. Ihre Rechte betreffen Gegenstände, die zwar im Schuldnervermögen vorgefunden werden, jedoch tatsächlich nicht zum Vermögen des Schuldners gehören. Aussonderungsberechtigt sind in der Praxis vor allem die Eigentumsvorbehaltsgläubiger, soweit es um ihren einfachen Eigentumsvorbehalt geht.
Absonderungsgläubiger können nicht den Gegenstand selbst aus der Masse heraus verlangen. Sie haben vielmehr nur ein Recht auf Befriedigung aus dem Erlös des Gegenstandes. Nach Insolvenzordnung steht alleine dem Insolvenzverwalter die Verwertung der Vermögensgegenstände zu. Werden solche Gegenstände vom Verwalter verwertet, so hat er den Erlös bis zur Höhe der Forderung an die Absonderungsberechtigten abzuführen. Er kann jedoch von diesen eine Kostenbeteiligung für seine Tätigkeit verlangen. Der Kostenbeitrag beträgt pauschal 4 % für die Kosten der tatsächlichen Feststellung des Gegenstandes und des Rechts, pauschal 5 % für die Kosten der Verwertung und, sofern die Verwertung durch den Insolvenzverwalter umsatzsteuerpflichtig ist, die gesetzliche Umsatzsteuer.
9.) Das Gesetz unterscheidet zwischen Massekosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten. Die Kosten des Insolvenzverfahrens haben die erste Rangstelle. An zweiter Stelle stehen die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind. An dritter Rangstelle stehen die übrigen Masseverbindlichkeiten. Zu diesen sonstigen Masseverbindlichkeiten zählen: die durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründeten Forderungen; die Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung entweder zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss; Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Masse und die vom vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners begründeten Verbindlichkeiten.
10.) Hinsichtlich normaler Insolvenzforderungen sind alle Vorrechte abgeschafft worden.
11.) Anders als nach der Konkursordnung werden beim Gericht rechtshängige Prozesse nicht erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen, sondern die Unterbrechungswirkung tritt bei einem Beschluß des Insolvenzgericht gemäß § 240 ZPO bereits mit der Insolvenzeinleitung ein.
12.) Auch nach der Insolvenzordnung besteht unverändert ein Anspruch auf Insolvenzausfallgeld (früher Konkursausfallgeld) für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Verfahrenseröffnung, Abweisung oder Betriebseinstellung.
13.) Nach der Insolvenzordnung kann der Insolvenzverwalter einem Arbeitnehmer mit einer Frist von drei Monaten kündigen, auch wenn die vertragliche oder gesetzliche Kündigungsfrist länger ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer nach einem Tarifvertrag überhaupt nicht kündbar ist.
14.) Eine Kündigungsschutzklage durch einen Arbeitnehmer muss innerhalb einer dreiwöchigen Ausschlussfrist erhoben werden. Nach Ablauf dieser drei-Wochen-Frist kann der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung auch nicht auf sonstige Unwirksamkeitsgründe (Schwerbehinderteneigenschaft, Betriebsübergang usw.) stützen.
15.) Kündigungen sind im Insolvenzverfahren bei Abschluss eines Interessenausgleichs erleichtert worden. Kommt zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat ein Interessenausgleich zu Stande, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einer Namensliste aufgeführt sind, so führt dies zu einer Beweislastumkehr. Nunmehr muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass die Kündigung nicht durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer nur noch rügen, dass die Sozialauswahl grob fehlerhaft ist. Auch hierfür trägt er die Darlegungs- und Beweislast.
16.) Nach der Insolvenzordnung sind die Anfechtungsmöglichkeiten für den Insolvenzverwalter erweitert worden. Dies dient dem Zweck, unbillige Vermögensverschiebungen zu Lasten der Gläubiger rückgängig zu machen.
17.) Die Regelungen über das Insolvenzplanverfahren sind das Kernstück des Insolvenzrechts. Sie ersetzen sowohl den Vergleich nach der Vergleichsordnung als auch den Zwangsvergleich nach den bisherigen Vorschriften. Zweck des Insolvenzplanes ist es, allen Beteiligten, dass heißt den Gläubigern, dem Schuldner, aber auch dem Insolvenzverwalter selbst zu ermöglichen, abweichend von den gesetzlichen Regelungen eine einvernehmliche Lösung zur Bewältigung der Insolvenz zu finden. Der Insolvenzplan dient in erster Linie dazu, eine Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen. Es kann jedoch auch statt eines Sanierungsplanes ein Übertragungsplan oder ein Liquidationsplan gemacht werden.
Der Insolvenzplan gliedert sich in einen darstellenden Teil und in einen gestaltenden Teil. Im gestaltenden Teil werden die Rechtsänderungen festgelegt, die durch den Plan verwirklicht werden sollen.
Bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten werden Gruppen gebildet. Innerhalb jeder Gruppe sind allen Beteiligten gleiche Rechte anzubieten. Eine unterschiedliche Behandlung der Beteiligten einer Gruppe ist nur mit Zustimmung aller betroffenen Beteiligten zulässig.
Das Gericht kann den Insolvenzplan unter bestimmten Voraussetzungen von Amts wegen zurückweisen.
18.) In der Insolvenzordnung ist eine Restschuldbefreiung sowohl für Unternehmer als auch für Verbraucher vorgesehen.
Die Restschuldbefreiung kommt nur für natürliche Personen in Betracht. Dem Antrag auf Restschuldbefreiung muß eine Erklärung beigefügt werden, der zu Folge das pfändbare Einkommen oder entsprechende Einnahmen für einen Zeitraum von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abgetreten werden. War der Schuldner bereits am 01.01.1997 insolvent, wird die Wohlverhaltensfrist auf fünf Jahre reduziert.
Das Insolvenzgericht erteilt dem Schuldner die Restschuldbefreiung unter der Bedingung, dass er seine Pflichten und Obliegenheiten während des anschließenden Verfahrens erfüllt. Dem Antrag des Schuldners darf nur stattgegeben werden, wenn kein Versagungsgrund vorliegt. Das heißt, der Schuldner darf nicht:

  • Wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt worden sein,
  • In den letzten drei Jahren vor Stellung des Insolvenzantrags oder danach seinen Gläubigern nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht haben, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
  • In den letzten zehn Jahren vor Antragstellung weder eine Restschuldbefreiung in Anspruch genommen haben, noch darf sie versagt worden sein,
  • Im letzten Jahr vor dem Antrag oder danach sein Vermögen nicht verschleudert oder die Antragstellung verzögert haben,
  • Seine Auskunfts- und Mitteilungspflichten im Verfahren nicht verletzt haben
  • In den vorzulegenden Verzeichnissen keine unrichtigen Angaben gemacht zu haben.
  • Hat der Schuldner vor Verfahrensbeginn sein pfändbares Einkommen abgetreten, so bleibt diese Abtretung nur zwi Jahre, gerechnet von dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, wirksam. Nach dem vorgenannten Zeitpunkt ist die Abtretung hinfällig.
  • Lohnpfändungen, die vor Verfahrenseröffnung ausgebracht wurden, werden mit Ende des Kalendermonats, in dem das Verfahren eröffnet wird, unwirksam.

Besonderheiten gelten allerdings für Unterhalts- und Deliktsgläubiger.

19.) Von der Restschuldbefreiung ist das Schuldenbereinigungsverfahren (Verbraucherinsolvenzverfahren) zu unterscheiden. In diesem Verfahren können Verbraucher oder Kleingewerbetreibende ein abgekürztes Schuldenbereinigungsverfahren durchführen. Dieses ist mehrstufig und gliedert sich wie folgt:

  • außergerichtliches Vorschaltverfahren
  • gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
  • vereinfachtes Insolvenzverfahren
  • Restschuldbefreiungsverfahren.

Die jeweilige Verfahrensstufe erreicht man immer nur, wenn das vorhergehende Verfahren erfolglos verlaufen ist. Ist es beispielsweise in dem außergerichtlichen Vorschaltverfahren zu einer Einigung mit den Gläubigern gekommen, bedarf es eines Schuldenbereinigungsverfahrens nicht mehr.
Das Vorschaltverfahren hat den Zweck, möglichst die Gerichte zu entlasten. In diesem Vorschaltverfahren muss mittels eines Schuldenbereinigungsplanes versucht werden, einen außergerichtlichen Ausgleich mit den Gläubigern zu erzielen. War ein Schuldner, der natürliche eine Person ist und keine oder nur eine geringfügige selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt hierbei nicht erfolgreich, so kann er das Gericht anrufen und dann das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren einleiten.
Der Verbraucher bzw. der Kleingewerbetreibende stellt zum Zweck der Durchführung eines besonderen Verfahrens einen Insolvenzantrag. Mit diesem Antrag hat er folgendes vorzulegen:

  • eine Bescheinigung, nach der die außergerichtliche Einigung gescheitert ist
  • den Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung
  • ein Verzeichnis des vorhandenen Vermögens, des Einkommens, der Gläubiger und der Forderungen, zusammen mit einer Vollständigkeitserklärung
  • einen Schuldenbereinigungsplan.

Im Rahmen des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens ist allen Gläubigern der Antrag zuzustellen. Sie müssen sich binnen einer Notfrist von einem Monat zu den Verzeichnissen und zu dem Schuldenbereinigungsplan äußern. Geschieht dies nicht, so gilt dies als Einverständnis mit dem Schuldenbereinigungsplan und, soweit die Forderungen des Gläubigers nicht vollständig erfasst sind, als Verzicht auf die weitergehende Forderung.
Grundsätzlich ist die Zustimmung aller Gläubiger erforderlich. Das Gericht kann jedoch die Zustimmung ersetzen, wenn bereits mehr als 50 % zugestimmt haben (Summen- und Kopfmehrheit). Die Ersetzung der Zustimmung erfolgt nur auf Antrag und zwar entweder eines Gläubigers oder des Schuldners. Die Voraussetzungen unter denen die Zustimmung ersetzt werden kann, sind im Gesetz genau geregelt.
Kommt es schließlich zu einer Planannahme, hat diese die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs im Sinne des § 794 ZPO, aus dem die Gläubiger vollstrecken können.
Wird dagegen keine Einigung über den Schuldenbereinigungsplan erzielt und der Widerspruch einzelner Gläubiger auch nicht durch eine gerichtliche Zustimmung ersetzt, beginnt das vereinfachte Insolvenzverfahren. Das vereinfachte Insolvenzverfahren wird nur dann durchgeführt, wenn wenigstens die Kosten des Verfahrens gedeckt sind. In diesem Fall bestellt das Gericht einen Treuhänder und beraumt einen Termin an, der einheitlich Gläubigerversammlung und Prüfungstermin ist. Bei überschaubaren Vermögensverhältnissen besteht auch die Möglichkeit, das Verfahren schriftlich durchzuführen.
Im Rahmen dieses vereinfachten Insolvenzverfahrens kann der Schuldner wieder einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen. Dann wird das Restschuldbefreiungsverfahren eingeleitet. Damit beginnt - wie oben bereits ausgeführt - eine siebenjährige bzw. fünfjährige Wohlverhaltensphase. Während dieser Wohlverhaltensphase ist wiederum ein Versagungsverfahren oder ein Widerrufsverfahren möglich, wenn der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkommt.